Das Honecker-Attentat und andere Storys by Dieter Bub

Das Honecker-Attentat und andere Storys by Dieter Bub

Autor:Dieter Bub [Bub, Dieter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: mitteldeutscher verlag GmbH
veröffentlicht: 2011-12-31T16:00:00+00:00


Wegelagerer und Fernstraßen

Als Müller bei seinen Transit-Reisen zum dritten Mal wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von zweimal hundert und einmal sechzig Stundenkilometern gestoppt wird und sich weigert, das geforderte Verwarnungsgeld in Westwährung zu zahlen, sondern freundlich spöttisch erklärt, als Mann mit Wohnsitz in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik die Summe in Mark der DDR überweisen zu wollen, beschließt er die Devisen-Wegelagerer zu ärgern.

Sie bauen ihre Radarfallen an völlig sinnlosen Stellen auf, um abzukassieren. Mit Hilfe von Fernfahrern lässt er eine Karte über alle Plätze an den Transitstrecken anfertigen, an denen sich die Volkspolizei mit ihren grün-weißen Ladas hinter Brücken und Raststätten postiert oder sich eingegraben hat.

Über die Veröffentlichung sind die Devisen-Abkassierer verärgert, besteht doch die Gefahr, eine wichtige Einnahmequelle für harte D-Mark könnte in Zukunft weniger üppig fließen – ein Trugschluss. Vielleicht entgehen den Geschwindigkeitskontrolleuren für kurze Zeit ein paar Tausender westdeutscher Währung. Aber: die willkürliche Begrenzung von Höchstgeschwindigkeiten bis auf ein Schneckentempo von zwanzig km/h wird auch in Zukunft zu Überschreitungen verleiten und die Kassen füllen.

Müller ahnt nicht, das ein Jahrzehnt später die große gesamtdeutsche Beutelschneiderei beginnen wird, zwischen Nord-, Ostsee, Erzgebirge und Alpen, auf Autobahnen, Land- und Kreisstraßen, in Städten und Dörfern, tausende gesamtdeutsche Polizei-Wegelagerer mit fest installierten Kameras, hunderte Laserkanonen im Anschlag, Fallen für Ahnungslose, Abzocke für aufgeblähte Verwaltungsapparate.

Keine Rüge bekommen er und Schmitt. für eine große Farbreportage über die Fernverkehrsstraße 5 zwischen Berlin und Hamburg. Sie war dreißig Jahre, von 1952 bis 1982, bis zum Bau der Autobahnverbindung von der Hansestadt nach Ostberlin, eine der Transitstrecken zwischen beiden deutschen Staaten – 280 Kilometer in mindestens fünf Stunden. Danach wird die Strecke nur noch von wenigen Westdeutschen genutzt. Dabei ist es eine gemächliche, wie es scheint, idyllische Reise durch die DDR, mit engen Ortsdurchfahrten, Kopfsteinpflaster, alten Fachwerkhäusern, Alleebäumen, vorüber an den trostlosen Russenkasernen der Roten Armee, aus denen unvermutet gelegentlich ein Panzer die Fahrbahn kreuzt. Halt von zehn, fünfzehn Minuten am Bahnübergang in Karstädt, an dem dieser großflächige Spruch vom vorbildlichen sozialistischen Schrankenwärter-Kollektiv prangt, schließlich erscheint doch in langsamem Tempo ein Schienenfahrzeug. Sie passieren den Ribbeck’schen Birnbaum Fontanes im Havelland, begegnen der Mumie des Ritter Kahlbutz, erreichen Ludwigslust, das prunkvolle Schloss mit grauer Fassade, die Anlagen verwildert, Zeugen des ausbeuterischen Feudalsystems, entdecken Kyritz an der Knatter. Ein Fernfahrer erzählt auf halbem Weg, in der Kneipe bei Bockwurst mit Salat, von einem Unfall mit einem Schweinetransport, bei dem die lebende Fracht in den angrenzenden Feldern das Weite suchte und zu einem großen Teil zur unerwarteten Beute von Dorfbewohnern wurde, die so zurückbekamen, was in der DDR gemästet worden und für den Westexport bestimmt gewesen war.

Ein Anhalter aus Kyritz. Sie nehmen ihn mit, trotz Verbots. Freitagnachmittag. Der Anhalter kommt von der Baustelle. Er will nach Hause: „Früher sind wir mit dem Kleinbus gebracht worden, montags hin, freitags Mittag zurück. Nun heißt es Benzin sparen. Sie haben sogar zwei alte Lastwagen stillgelegt und einen Barkas. Also müssen wir bei mehr Aufträgen damit auskommen, irgendwie. Und wir sollen mit dem Zug oder mit dem Bus fahren. Da musst du aber viel früher raus und dann kommst du viel später zurück.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.